Der große Tag ist da. Ich werde gleich zum ersten Mal wieder in ein Flugzeug steigen. Ziel: Zürich (und dann weiter nach Konstanz).
Warum genau ist Fliegen besonders schlimm für mich? Durch mein Trauma habe ich große Probleme, die Kontrolle abzugeben. Was für mich schon etwas seltsam ist, denn schließlich war ich ja Fahrerin, hatte die „Kontrolle“ und konnte ja doch nichts machen. Wie dem auch sei. So richtig gut fand ich fliegen auch vor dem Unfall schon nicht, und sämtliche Ängste sind ja nun massiv verstärkt.
Damit ihr verstehen könnt, was genau in mir vorgeht, bzw. wovor ich eigentlich Angst habe, hier nun ein Auszug meiner Liste: Absturz durch technischen Defekt, menschliches Versagen oder Absicht des Piloten, Bombe am Flughafen oder im Flieger, lebensbedrohlicher medizinischer Notfall und keine ausreichende Versorgung, Zusammenstoß in der Luft, Bremsen versagen beim Landen,… Geht noch ziemlich lange so weiter, kurz gesagt enden alle dieser Ängste mit dem Tod.
Ich habe mich in der Psychotherapie versucht, ein bisschen darauf vorzubereiten. Heute morgen habe ich Baldrian genommen (hilft übrigens null), mein Notfallmedikament ist griffbereit (Tavor, Angstlöser), ich spreche, wenn nötig, mit den Menschen um mich herum und erzähle von meiner Angst, komme möglichst spät zum Flughafen und lenke mich so viel wie möglich ab. Playlist läuft, Bordbistro wird leer gekauft und ich schreibe einen kleinen Artikel.
Genau so sitze ich hier jetzt. Direkte Ansprache meines Nachbarn war noch nicht nötig, obwohl ich beim Losrollen kurz mal keine Luft gekriegt habe und ein Tränchen wegdrücken musste. Ich gucke nicht aus dem Fenster und zähle auch nicht die Sekunden. Es funktioniert ganz Ok, auch wenn ich merke, dass die Anspannung nicht wirklich weniger wird.
Aber diese Reise ist so wichtig für mich. Ich will nach Konstanz, in meine alte Heimat, will meine Freunde treffen und den Frühling am Bodensee erleben. Ich will diese Freiheit zurück, jederzeit meine eigenen Entscheidungen treffen zu können. Und deswegen muss ich da jetzt durch. Ich bin so dankbar, dass mein Wille stark genug ist, um genau solche Dinge am Ende doch zu tun. Es gibt so viele PTBS-Erkrankte, die diesen Schritt nicht schaffen.
Es sind jetzt noch etwa 20 Minuten, der Flieger ist schon im Sinkflug. Wenn alles gut geht, werde ich gleich schon wieder festen Boden unter den Füßen haben. Und dann habe ich es geschafft und bin ein Stückchen freier und stärker als noch vor einer Stunde.