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Sorgen, Sorgen, Sorgen

Es sind nur noch ein paar Tage, dann jährt sich der Unfall zum zweiten Mal. Wie fühle ich mich? Eigentlich ganz stabil, die Panik, die mich letztes Jahr erfasst hat, so kurz vor dem einen schwarzen Tag, habe ich dieses Jahr nicht. Auch wenn das letzte Jahr wahnsinnig hart war, mein Körper hat so unglaublich tolle Fortschritte gemacht und auch psychisch geht es weiterhin bergauf. Ich lebe in den Tag hinein, plane wenig weit voraus und versuche die schönen Momente zu genießen, so wie auch die traurigen gut durchzustehen.

Und dennoch – ich kann abends nicht einschlafen und wache morgens mit Magenschmerzen auf. Grund dafür ist immer noch der finanzielle Druck, der mir im Nacken sitzt. In zwei Jahren haben wir noch nicht einmal einen Posten des Schadensersatzes mit der gegnerischen Versicherung final reguliert. Ich bekomme Vorschüsse, wenn es bei mir knapp wird und wir Druck ausüben, damit bezahle ich aber meist irgendwelche Dinge ab – sie fließen also in die Vergangenheit und reichen vorne und hinten nicht.

Ihr habt es vielleicht gelesen, im November kam ein echter Hammer für mich – meine Geschäftsbank hat mir den Existenzgründungskredit fristlos gekündigt – mit der Aufforderung zur sofortigen Rückzahlung. Um es zu benennen, von den 25.000 ursprünglichen Kredits habe ich bereits 5.000 zurückgegeben, knapp 5.000 waren noch auf meinem Geschäftskonto. Wir reden hier also von locker flockig 15.000, die sie am liebsten per sofort hätten.

Diese Handlung löst eigentlich nur eins in mir aus: Unverständnis. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren einen ganz tollen Kontakt zu meiner Bankberaterin gehabt und sie immer auf dem Laufenden gehalten. Nun habe ich plötzlich eine neue Beraterin, die offensichtlich nicht sehr empathisch ist. Ich weiß, es gibt da gewisse Vorgehensweisen, aber sind denn Bankberater nicht auch Menschen? Erst gestern habe ich, zusammen mit meiner Selbstauskunft und „Vermögensaufstellung“ (haha) eine sehr emotionale Email rübergeschickt. Mit der Bitte um Aufschub, denn – und das ist ja eigentlich das Absurde – sie bekommen ja ihr Geld. Die Summe steht auf dem Zettel des Gesamtschadens und wird irgendwann reguliert. Nur das Datum kann ich eben nicht nennen. Eine Haftungsübernahme der Versicherung habe ich bereits zur Bank geschickt. Es war also Ermessenssache der Bank. Die Kündigung hätte nicht sein müssen, zumal die 5.000, die noch auf meinem Konto waren, ja auch erstmal eine Weile zur monatlichen Tilgung gereicht hätten.

Ich habe in dieser Email meine Hosen runtergelassen, in der Hoffnung auf Verständnis. Pustekuchen. Heute morgen habe ich eine Email erhalten, mit der Bitte um Zusendung des Grundbuchauszuges für mein Haus und der Frage, ob ich meine Lebensversicherung an die Bank abdrücken würde. Das sind die einzigen beiden Dinge, die ich noch besitze. Eine ALTE Lebensversicherung, also eine von den noch wertvollen (Rückkaufwert aktuell lächerliche 5.000 Euro). Und natürlich mein Haus, mein Traum, mein Alles. Ich weiß gerade nicht, ob ich schreien oder weinen soll, denn – und genauso habe ich es formuliert – ich habe doch schon alles verloren, und jetzt kommt die Bank und tritt nochmal richtig rein. Und noch einmal – der Schaden wird von der Versicherung übernommen, der Kredit wird ausgeglichen. Ich soll also jetzt meine Lebensversicherung kündigen (was ja noch nicht einmal die Summe abdeckt) und womöglich noch mein Haus verkaufen (welches noch nicht mal abbezahlt ist) und habe dann nichts mehr. Um in zwei Monaten oder so dann 15.000 mehr auf dem Konto zu haben, wenn die Versicherung den Kredit beglichen hat. Beides ist dann weg, unwiderruflich.

Und wieder einmal merke ich, wie aufgeschmissen man als Opfer ist, wenn man denn nicht in der Lage ist, sofort wieder ins System einzusteigen. Und so viel Mühe ich mir auch gebe, ich kann einfach noch nicht wieder 100% geben, ich schaffe es körperlich und psychisch nicht. Muss ich auch gar nicht – auf dem Papier – denn ich habe aktuell immer noch eine 40% Arbeitsunfähigkeit. Und dennoch arbeite ich, so viel ich kann, so gut es geht, aber eben auch so gut es geht ohne Druck. Den sollte ich eigentlich auch noch gar nicht haben, würde dieses „System“ nämlich auf der anderen Seite ordentlich funktionieren und ich jeden Monat meinen Verdienstausfall aufgefüllt bekommen (dieser wurde noch nicht einmal benannt, weil wir uns seit Monaten mit der Versicherung streiten).

Es herrscht also ein Ungleichgewicht – die Forderungen passen nicht zu den Leistungen unseres Systems. Und das Opfer ist auch hier wieder das Opfer. Was tue ich also nun? Betteln? Weinen? Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht, damit sie mir nicht mein geliebtes Waldhaus unter dem Arsch wegpfänden. Sie können alles von mir haben, aber das Haus werde ich bis zuletzt verteidigen.

2 Gedanken zu „Sorgen, Sorgen, Sorgen“

  1. Hallo Jule!
    Oh mein Gott, wie gemein das „System“ doch sein kann!!!
    Ich gebe Dir vollkommen Recht, wenn Du die Ungerechtigkeiten der Welt beklagst! So etwas darf nicht sein! Wenn ich die Möglichkeit/Macht hätte, würde ich mit sofortiger Wirkung dafür sorgen, dass Du nun endlich zumindest in finanzieller Hinsicht entspannter und zuversichtlicher in die Zukunft schauen könntest! Leider kann ich das nicht! Was bleibt, ist Dir Mut zuzusprechen, Dir meine Hochachtung für all das zu zollen, was Du bisher schon bewältigt hast!
    Es macht mich betroffen, wenn Du schreibst, dass „sie“ Deinen Stolz und Deine Würde haben können! NEIN!!! Genau diese beiden Eigenschaften solltest Du Dir nicht nehmen lassen!
    Stehe diesen Kampf bis zum Ende mit Stolz und Würde durch! Du hast Dich in den letzten Wochen und Monaten endlich wieder ein wenig freigemacht von all der Wut, dem Schmerz, hast körperlich unglaubliche Fortschritte gemacht, hast mit Emma eine treue Gefährtin an Deiner Seite. All dies sind positive Dinge, aus denen Du weiter Kraft schöpfen solltest. Ich bin sicher, Du wirst in nicht allzu weiter Ferne hocherhobenen Hauptes Deines Weges gehen, wohin auch immer der Dich führen mag!
    Liebe Jule, ich denke oft an Dich und schicke Dir eine Riesenportion Zuversicht!

    Ganz liebe Grüße

    Kiki

    1. Liebe Kiki, danke für deine lieben Worte 🙂 Ich freue mich sehr, dass wir den Kontakt zueinander gefunden haben. Und alles andere: Ich bin ja ein Stehaufmännchen! Siehst du Kirsten morgen? Dann umarme sie bitte von mir. Ich flüchte und verkrieche mich.

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