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Is that all there is?

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Krisen scheinen zu meinem Leben dazuzugehören. Mittlerweile erinnere ich mich nicht mal mehr an die Tage, an denen es mir so richtig gut ging. Verrücktes Gehirn. Verdrängt einfach alles.

Eigentlich ging es doch steil bergauf. Zurück ins Leben, zurück in den Alltag, das war alles, was ich wollte. Ein „normales“ Leben führen. Du meine Güte, vor drei Jahren war mein einziges Ziel, wieder laufen zu können. Und jetzt? Ich laufe (!!!).

Ich habe immer noch mein tollstes Waldhaus, meinen Rückzugsort, einen Job, der mir wirklich viel Spaß macht und mir so viele Freiheiten lässt, meine Emma, mein Seelenhund, die mich jeden Tag daran erinnert, im Hier und Jetzt zu leben, einen Freund, der mich liebt, ein Refugium mitten in der Stadt, eine tolle Familie, ach – ich könnte wirklich noch ganz viele Dinge aufzählen, die mich glücklich machen. Sollten.

Und dann kam Mamas Krebs. F***. Mama ist nicht „nur“ Mama für mich, das wissen viele von euch ja auch. Wir wohnen zusammen (das Refugium in der Stadt), sie ist meine Beraterin, meine Krisenmanagerin und vor allem meine Freundin. Als sie ganz nebenbei am Telefon sagte „Naja, das ist ein Tumor“ habe ich noch gedacht, das geht ganz bestimmt alles gut aus. Je mehr sich herauskristallisierte, dass es sich um eine seltene und sehr aggressive Krebsart handelte, desto verzweifelter wurde ich. Ich war plötzlich in einem Film und konnte nicht mehr klar denken. Natürlich ist das (so wie es mich erwischt hatte) meiner PTBS zuzuschreiben – ich war ja noch lange nicht fertig mit der Behandlung, sondern eher mittendrin. Ich konnte das alles nicht fassen und einordnen. Mein „kranker“ Kopf hat alles durcheinandergebracht.

Wir haben dem Krebs den Kampf angesagt. ATTACKE ist zu unserem Schlachtruf geworden. Die wahnsinnig komplizierte OP haben wir mit viel Mut und Optimismus gemeistert. Ach, was sag ich, Mama hat sie gemeistert. Und trotzdem haben wir uns vorher irgendwie verabschiedet, auf eine seltsame Weise. Denn der Ausgang dieser OP war tatsächlich ungewiss. Wir haben viel geredet, über den Tod, aber vor allem über das Leben. Was in diesen Stunden mit mir passiert ist, erzähle ich euch gleich.

Sie hat die OP überlebt, das wissen wir mittlerweile. Die halbe Leber fehlt, sie sagt, sie fühle sich, als sei ihr Bauch nur noch „halb voll“. Stimmt ja auch irgendwie. Ich konnte nicht mehr aufhören zu spucken, als der Chirurg sagte, dass sie (mikrobiologisch) nicht alles erwischt haben und am Tumorrand noch Krebszellen gefunden wurden.

Es folgt jetzt eine Chemo. Das Ziel ist immer noch Heilung, hat der Arzt gesagt. Aber heutzutage googlen wir ja alle und kennen die Fakten.

Ich nehme mittlerweile ein Antidepressivum. Um mich zu stabilisieren, meine „Krankheit“ in Schach zu halten und stark genug zu sein, für das, was noch kommt.

So. Als Mama vor der OP erzählte, von ihrem Leben und wie wundervoll und erfüllt es war, ist etwas mit mir passiert. Ich habe alles betrachtet, als wäre ich nicht ich, und plötzlich wusste ich: Das war’s noch nicht. Ich bin noch nicht fertig. Mit dem Leben, meinen Träumen (die ich ja seit dem Unfall gar nicht mehr hatte). Einfach mit allem. Ich habe seit drei Jahren darauf gewartet, dass sich wieder irgendeine Flamme in mir entzündet. Eine Idee, ein Traum, eine Mission. Und plötzlich war da wieder eine Flamme. Klitzeklein noch – und ich werde an dieser Stelle auch nicht verraten, worum es sich handelt. Aber da ist wieder etwas in mir. Es fällt mir gar nicht mal leicht, das anzunehmen, weil es bedeuten würde, dass ich all das, was JETZT ist, hinter mir lasse. So richtig bereit bin ich noch nicht, aber die Flamme ist ja auch noch klein… ich brauche jetzt viel Zeit, mich an all die neuen Gedanken und Emotionen zu gewöhnen. Aber dann…

Erst einmal heißt es jetzt ATTACKE – FCK CNCR – los geht die Chemotherapie, ich bin an Bord – und eine Glatze wollte ich mir eh immer schon mal rasieren, bisher fehlte mir nur der Mut !

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