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Ich brauch‘ nicht viel zum Glücklichsein

Herrje, jetzt schreibt die auch noch was zum Thema „Glück“. Als gäbe es nicht schon genug schlaue Bücher, Ratgeber und Artikel zu diesem Thema. Stimmt. Und obwohl ich in den vergangenen zwei Jahren oft über das Glücklichsein nachgedacht habe, habe ich keines dieser Bücher gelesen.

Glück ist etwas so Individuelles, eine so starke Emotion, dass es wahnsinnig schwer ist, dieses Gefühl in die richtigen Worte zu packen. Finde ich.

Was ich an dieser Stelle gerne möchte, ist euch zu erzählen, wie sich meine Einstellung zu Glück in den vergangenen Monaten verändert hat. Wie die meisten von euch ja wissen, bin ich eher pragmatisch veranlagt als esoterisch. Bei Sprüchen wie „Alles hat einen Sinn“ oder „Für irgendwas war dieser Unfall bestimmt gut“ habe ich immer meine Augen verdreht. Wie soll denn bitte so etwas Schreckliches für irgendwas gut sein?

Und – meine größte Angst war sehr lange Zeit – werde ich jemals wieder in der Lage sein, Glück zu empfinden? In den dunkelsten Stunden war ich mir sicher, dass das nicht möglich ist. Dass der Schaden, den meine Seele genommen hat, zu groß ist, als dass er irgendwann heilen wird. Nun war der Unfall ja auch nicht das Einzige, was ich verarbeiten musste, es kamen in kurzer Zeit weitere Ereignisse dazu, die mich an meine emotionalen Grenzen gebracht haben – der unerwartete Tod meines Vaters, das Scheitern einer großen Liebe. Und jedes Mal hatte ich das Gefühl, dass das schwarze Loch in meiner Seele ein bisschen größer wird. Ich kam gar nicht hinterher mit dem Verarbeiten…

Aber irgendwann, das ist noch gar nicht so lange her, war da plötzlich ein kleines Leuchten. Ein kleiner Hoffnungsschimmer, ein Kribbeln im Bauch. Und ich wusste, das Schlimmste ist überstanden. Und vor allem – ich werde wieder in der Lage sein, Glück zu empfinden. Dieses Leuchten wurde von Tag zu Tag heller, das Kribbeln im Bauch war immer öfter zu spüren, und vor allem immer intensiver.

Ich war schon immer ein sehr fröhlicher und optimistischer Mensch. Aber ich war auch oft unzufrieden. Rastlos. Ich wollte so viel aus dem Leben herausholen, wie nur irgendwie möglich war. Reisen, Abenteuer erleben, am Limit leben, immer höher, schneller, weiter. Und trotzdem gab es nur sehr wenige Momente, in denen ich echtes Glück empfunden habe. Ich wollte immer noch mehr. Und dieses MEHR hat verhindert, dass ich das genießen konnte, was ich hatte.

Das ist jetzt anders. Ich kann wirklich und wahrhaftig sagen, dass ich im Hier und Jetzt lebe. Jeden weiteren Tag, den ich am Leben bin, empfinde ich als echtes Geschenk. Ich erlebe Glück in einer ganz neuen Dimension. Glück bedeutet für mich nicht mehr, viel zu besitzen, viel zu verdienen, viel zu erleben. Ich finde nun Glück in den kleinen Dingen.

Wenn ich unter der Dusche stehe und ein tolles Lied im Radio läuft, kribbelt es. Wenn mein Hund fröhlich durch den Schnee hüpft, bin ich glücklich. Wenn mir jemand sagt, dass er mich mag, explodiert alles in mir. Blumen machen mich glücklich. Die Wärme, die ein Kaminfeuer ausstrahlt, lässt mir einen wohligen Schauer über den Rücken laufen. Frische Luft und Sonne und Draußensein, das genieße ich so sehr. Und Freunde – sie sind mein größtes Glück. All die Menschen, die mich in den vergangenen zwei Jahren begleitet haben, die das alles mit mir durchgestanden haben, mir die Hand gehalten haben und mich in den Arm genommen haben, wenn es mir schlecht ging. Bis jetzt, bis das Leuchten die Dunkelheit in meiner Seele fast vertrieben hat.

Und noch etwas ist mit mir passiert. Natürlich gibt es sie auch jetzt noch, die dunklen Stunden, die Ängste, die Hoffnungslosigkeit in schwachen Momenten. Aber eines weiß ich genau. Es geht vorbei. Jeder Tag ist ein Neubeginn, jeder Tag ist die neue Chance auf Glück.

Ich bin mir mittlerweile ganz sicher, dass der Unfall nicht nur schrecklich war. Dass ich etwas gewonnen habe, was ich vermutlich niemals erfahren hätte. Und ja – so komisch das auch klingen mag – dafür bin ich dankbar.

6 Gedanken zu „Ich brauch‘ nicht viel zum Glücklichsein“

  1. Hallo Jule
    auch ich bin immer wieder zutiefst berührt, wenn ich deine Beiträge lese!Du hast zu all deiner Stärke auch noch die besondere Gabe, insbesondere Gefühlen mit viel Gefühl Ausdruck zu verleihen!
    Ich wünsche dir unendlich viele kleine und große Glücksmomente!
    Liebe Grüße
    Kiki

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