Lieber Unbekannter.
Ein Jahr ist es nun her. 365 Tage, viele Stunden, etliche Minuten und Sekunden. Ein Jahr voller Schmerz, Kummer, Tränen, Wut, Trauer, Unverständnis, Hilflosigkeit… aber auch Hoffnung, Freude, Mut, Entschlossenheit und Willensstärke.
Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mit den Folgen konfrontiert werde. Selbst wenn ich gut gelaunt aufwache, ohne Angst und Sorgen, werde ich doch spätestens beim Aufstehen an diesen Tag erinnert. Ich habe 365 Tage Schmerzen hinter mir. Er ist immer da, mal stechend und fordernd, so dass ich nicht weiß wohin mit mir. Mal dumpf und subtil, so dass er langsam an den Nerven zehrt, mich verzehrt, mir die Kraft raubt. Aber selbst diesen Schmerz kann ich auf mich nehmen. Ich bin stark, ich kann das aushalten.
Viel schlimmer sind die Tage, an denen ich seelische Schmerzen habe. Das raubt mir fast den Verstand. Ich bin nicht mehr frei. Ich kann an manchen Tagen keine eigenen Entscheidungen treffen. Jeder, der sagt „Man hat immer eine Wahl“ (wie oft habe ich das selber gesagt), dem kann ich nach einem Jahr sagen: Nein. Das stimmt nicht. Ich bin ein positiver, willensstarker Mensch. Und dennoch gibt es Tage, an denen ich das Gefühl habe, die Angst nimmt mir die Luft zum Atmen, schnürt mir die Kehle zu. Und ich komme mit meinem Verstand nicht dagegen an. Ich habe Angst vorm Sterben. Weil ich so nah dran war und doch so weit weg.
Nun also sitze ich hier. Habe meine Angst überwunden und bin geflohen an diesem einen Tag. Raus aus der Stadt, weg von dem Lärm, dem Verkehr und all den Menschen, die sich doch so viel Mühe geben und trotzdem keine Ahnung haben. Wie auch… Wir fahren auf eine Insel. Helgoland. Autofrei. Zur Entschleunigung, um uns zu besinnen, dass wir noch am Leben sind. Um zusammen zu sein und all die Emotionen, die heute und vielleicht auch in den nächsten Tagen hochkommen, gemeinsam zu bewältigen.
Ich denke heute an dich. Natürlich tue ich das. Du bist ein Teil der Erinnerung. Ich frage mich, wie es dir geht. Ich frage mich nicht, wie es dir geht, so wie ich es bei einem Freund tun würde. Ich frage mich, ob du auch Schmerzen hast… Ob du Angst hast, ob du dich quälst, ob du daran denkst, was heute vor einem Jahr geschehen ist. Ich frage mich, ob du an mich denkst. Ob in dir irgendetwas ist, was einer emphatischen Empfindug nahe kommt.
Ein Jahr ist es her. Es gibt keine Entschuldigung. Keine Reue, zumindest nicht mir gegenüber. Bereust du es denn? Keine Familie, dir mir Respekt erweist. Respekt für ein Opfer. Denn das bin ich. Und du bist der Täter. Und ich wünsche mir nichts sehnlicher als ein bisschen Respekt für das, was ich durchmachen muss. Ich versuche mich von dieser Idee zu verabschieden, denn ich kann zwar weiterhin hoffen, aber wenn du dich bis jetzt noch nicht gemeldet hast, wirst du es vermutlich auch nicht mehr tun. Also versuche ich, es alleine zu bewältigen. Um irgendwann damit abzuschließen, ohne genau zu wissen, was eigentlich an diesem Tag passiert ist. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Aber ich kämpfe. Damit ich eines Tages wieder frei bin…. und dich endlich vegessen kann.
Liebe Jule!
Ich bewundere deinen schier unerschütterlichen Mut, deine unerschütterliche Entschlossenheit,dem „Schicksal“ die Stirn zu bieten!
Ja,du bist ein Opfer, jemand hat dein Leben in den grundfesten erschüttert und Du konntest nichts dagegen tun!
Ich wünsche dir von ganzem Herzen,dass es dir dennoch irgendwann (hoffentlich bald) gelingt,deinen lebenstraum zu verwirklichen!
Gib nicht auf und schau nach vorne!
GLG
Danke <3 bin auf nem guten Weg...
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