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Die beste Therapeutin der Welt

Ich erzähle euch heute von Emma. Die meisten wissen ja bereits, dass Mitte April ein kleines Dalmatiner-Mädchen bei uns eingezogen ist. Und mit ihr das ganz große Glück…

Warum denn ein Hund? Diese Frage habe ich oft gehört. Nicht selten verbunden mit einem ungläubigen Kopfschütteln. In der jetzigen Situation? Mit einer Gehbehinderung? Und noch dazu ein Dalmatiner. Die brauchen ja besonders viel Auslauf. Und sind so aktiv und nervös und überhaupt. Aha.

Max und ich haben schon vor dem Unfall immer wieder darüber gesprochen, dass wir beide gerne irgendwann mal einen Hund hätten. Nach dem Unfall hatte ich viel Zeit, habe mich mit Therapiemöglichkeiten beschäftigt und wurde im Laufe des letzten Jahres auf das Thema „Assistenzhund“ aufmerksam. Klar wusste ich, dass Hunde fast alles lernen können. Aber dass es konkrete Ausbildungsmaßnahmen für Menschen mit PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) gibt, war mir tatsächlich neu.

Ich bin mit einem Verein in Kontakt getreten, der mir eine Assistenzhundeschule hier in der Nähe vermittelt hat (Assistenzhundeschule Nord). Ich habe mich mit Birke, der Trainerin, auf Facebook ausgetauscht und so langsam verfestigte sich der Gedanke bei mir.

Aber warum nun eigentlich der Dalmatiner? Pragmatisch wie ich manchmal bin, habe ich eine Liste erstellt mit meinen Wünschen. Ganz kurzes Fell sollte der Hund haben (ich hab eine SEHR empfindliche Nase), kein rassetypischer Jagdtrieb, eine ordentliche Größe, familienfreundlich, aktiv und gut zu trainieren. Nach und nach habe ich verschiedene Rassen abgestrichen und dann bin ich auf den Dalmatiner gestoßen. Ich kenne das Vorurteil, dass Dalmatiner nervöse, hyperaktive Hunde sein sollen. Persönlich kannte ich aber gar keinen Dalmatiner. Ich habe mehrere Züchter kontaktiert und bin dann beim großartigen Michael Lehmann (Christi ORMOND Dalmatiner) in der Nähe von Celle gelandet. Er hat uns direkt eingeladen, mal reinzuschnuppern und die Rasse kennenzulernen. Er selbst (mit seiner Frau Karola, Dalmatiner vom Teutoburger Wald) hat ein großes Rudel Dalmatiner. Gesagt, getan.

Und schon war es um uns geschehen. Wir hatten uns in den Dalmatiner verliebt. Zwei Würfe waren in nächster Zeit geplant, Michael kannte meine Bedürfnisse und hat dann geschaut, ob und wenn ja welcher Hund zu uns passt. Und es passte. „Question of honour“ war geboren und für uns auserkoren. Wir fieberten dem Abholtermin entgegen und waren überglücklich, als die kleine Emma am Ostersonntag endlich bei uns einzog.

Und dann ging es los… bevor sie überhaupt irgendetwas gelernt hatte, hat sie bereits angefangen, mich zu therapieren. Ich lebe plötzlich wieder im Hier und Jetzt. Habe eine große Aufgabe, einen Welpen, der nur Blödsinn im Kopf hat. Sie musste am Anfang viel getragen werden (mit Gehstock? Geht nicht, also blieb der Stock ab sofort zu Hause), wollte raus, fressen, schlafen, Pipi machen. Wenn sie sich nachts an mich gekuschelt hat, wusste ich, ich würde am nächsten Tag wieder aufwachen. Seit sie da ist, hatte ich keinen Alptraum mehr. Und keine Todesangst. Ich bin sogar schon wieder Auto gefahren. Es musste sein, Emma musste zum Impfen und Max hatte keine Zeit.

Natürlich ist es anstrengend. Ich gehe oft über die Schmerzgrenze hinaus, bin abends platt wie eine Flunder, habe ein geschwollenes Bein, saß schon oft weinend auf dem Fußboden und habe gedacht, ich schaffe es nicht. Ich hatte auch zwischendurch einen „Rückfall“ und plötzlich wieder Angst vor allen möglichen Dingen. Autofahren, als Beifahrer, ist nach wie vor eine große Kraftanstrengung für mich, wie auch viele andere Alltagssituationen. Ich bin nicht plötzlich wieder „gesund“ (im Kopf und Körper), aber ich habe oft schlichtweg keine Zeit, mich zu sehr um mich selbst zu kümmern. Der Fokus hat sich verschoben, mein Leben hat einen neuen Sinn. Und das tut gut.

Emma ist jetzt 16 Wochen alt. Sie ist ein solcher Goldschatz. Stürmisch, wild, bockig, verrückt – verschmust, witzig, treu und aufmerksam. Ich möchte keinen Tag mehr ohne sie sein und freue mich auf viele fröhliche Jahre mit ihr – der besten Therapeutin der Welt.

 

3 Gedanken zu „Die beste Therapeutin der Welt“

  1. Welch eine wunderbare Liebeserklärung an dein Leben und deine süße getupfte Schokoschnute Emma. Wir freuen uns so sehr, dass wir dir helfen konnten, indem wir dir die kleine Emma anvertraut haben und du einen neuen Sinn in deinem Leben siehst …das überwältigt uns und macht uns sehr glücklich und stolz …danke für deine lieben Worte sagen
    Michael & Karola

  2. Wow, ganz toll geschrieben und Emma wird dir ganz sicher auch weiterhin helfen! Wir haben unsere Ayla heute vor einem Jahr von den Lehmanns abgeholt. Wir würden sie für nichts in der Welt wieder hergeben!

  3. Pingback: Zwei Jahre später | januartag

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